10 Prinzipien des Chinese Boxing
Die zehn Prinzipien sind die Grundpfeiler unserer Selbstverteidigung.
Hier ein kurzer Überblick:
- Rooting (Verwurzelung):
Standfestigkeit des Körpers zum Boden, auch für Bewegungen
(Angriff oder Verteidigung). Das Zentrum (Tan Tien) wird zur
Stabilisierung abgesenkt, das „sitzende Zentrum”. Der Körperschwerpunkt ist über den Füßen.
- Centeredness (Zentrierung):
Auf diesem sitzenden Zentrum ist die Wirbelsäule eher lotrecht.
Vorstellung: eine innere Stange vom Beckenboden bis zum Scheitelpunkt
bildet die Gleichgewichtslinie – in der Bewegung und im Stand. Abseits seiner
natürlichen Krümmung bleibt der Oberkörper gerade.
- Body State (Körperstatus),
vulgo „immer schön locker bleiben”.
Kein Muskel wird über die notwendige Haltespannung hinaus angespannt, was der
Flexibilität, dem Energiefluss und des „Erfühlens” der
eines Angriffs zu Gute kommt. Eigene Schnelligkeit und Sensibilität sind
durch Anspannung nicht blockiert. Es gilt: so hart wie nötig, so locker wie möglich
oder wie es im CB auch heisst: feeling is the only way.
- Line and Angle (Linien und Winkel):
Körper und Aufmerksamkeit sind immer zur Zentrallinie des Gegenübers ausgerichtet.
Eine "off-center"-Stellung lässt Energie am Ziel vorbei schießen, es ist immer
das Ziel, den Gegner als Ganzes zu kontrollieren, nicht eine einzelne Technik von ihm.
- Projection (Durchschlag, Zielorientierung): Die
Energie eines Angriffs ist zielgerichtet, und zwar nicht auf den Auftreffpunkt, sondern
durch diesen hindurch. Denke an einen Pfeil und verfolge das Ziel (vgl. Mathe/Physik: Vektor).
- Forward Pressure
(Gleichgewichtsbrechender Vorwärtsdruck): Eine Art Bedrängung, der
dem Gegner seine Position, Zentrierung und schließlich die Verwurzelung, also sein
Gleichgewicht nimmt. Ohne Vorwärtsdruck würde stattdessen ein Angriff zur bloßen
Schlagtechnik verkümmern, eine Verteidigung bliebe auf der technischen Ebene und könnte
nicht in einen Angriff übergehen.
- Six/Nine Change
(Wandlungs-/Anpassungsfähigkeit) beschreibt die Fähigkeit, äußere
Techniken und innere Energien fließend und ansatzlos ändern zu können. Wenn ein
Angriff eine unerwartete Reaktion hervorruft, darf die Planung nicht starr
beibehalten werden. Es muss vielmehr eine Adapation stattfinden, da sonst dies
bestenfalls einen kurzfristigen Rückzug in die Ausgangsposition vor dem Angriff bedeutet (Patt), schlimmstenfalls
eine Niederlage, da der Gegner wandlungsfähiger war. Auch hier ist besonders die Lockerheit,
die Möglichkeit des feeling eine Grundvoraussetzung.
- Unitary (Ganzheitlichkeit, Synchronität): Alle Bewegungen
haben ihren Ursprung im Tan Tien, wodurch man eine größere, zwingendere Energie entfaltet. Es wird bei Angriff oder
Verteidigung nicht nur das Bein/der Arm bewegt, sondern das Zentrum führt jede
Technik, sodass Arm und Zentrum sich "aus einem Guss" bewegen. Bei sinkendem Zentrum erfolgt das Sinken
und das Aufprallen der Technik beim Gegner synchron, also im selben Moment.
- Yielding (körperliche
Elastizität): Kräfte können nur
ihre Wirkung entfalten, wenn sie auf Widerstand stoßen. Je härter
dieser ist, desto höher ist der Schaden. Entweder der Körper ist möglichst
spannungslos am Auftreffpunkt (siehe so hart wie nötig, so locker wie möglich)
oder dem Angriff wird ganz ausgewichen. Wie schon ein begnadeter Kampfkünstler
sagte: be water, my friend1.
- Mind Hit (Finte, mentaler Schock).
Finten sind eine alte Technik, die älter ist als CB. Der Trick des Mind Hits beim CB
hingegegen ist, im Kampf einen ruck- oder schockartigen Überraschungseffekt herbeizuführen, sodass
der Gegenüber kurzfristig in seiner normalen Reaktion/Wahrnehmung des folgenden Angriffs
beeinträchtigt ist.
Ein kleiner philosophischer Exkurs:
Wie viele Dinge im Chinese Boxing können die 10 Prinzipien nicht nur auf
eine physische Verteidigungs- oder Konfliktsituation bezogen werden, sondern auf die generelle psychische Einstellung –
während einer solchen physischen Konfrontation, aber auch beispielsweise auf einen
ganz normalen verbalen Alltagskonflikt. Wer mag, kann gerne die 10 Punkte noch einmal lesen und
auf diese seine mentale Einstellung im Alltag reflektieren. Der Kreis schließt sich insofern, als dass
diese Konfliktwesenzüge mental in beiden Szenarien wichtig sind und was miteinander zu tun haben.
Mehr zu CB siehe cbii.hamburg.
1. Allerdings bezog er sich in den meisten Interviews mehr auf die Wandlungsfähigkeit. Wasser ist das beste Beispiel für das Ausweichen und die Nicht-Fassbarkeit bei gleichzeitiger immenser Energie. ↩